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Ein Gastbeitrag von Lia aus Hannover.

Für meine Tochter Romy.

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Ich bin heute Morgen um 5:30 Uhr aufgestanden. Ich hatte auch vorgehabt, früh aufzustehen – Es gab ne Menge Geschirr abzuwaschen, es gab einen riesen Haufen Bügelwäsche und ich wollte mich endlich an die doofe Steuererklärung setzen – Mein Kind weckte mich allerdings mal wieder VOR dem Wecker auf. Wie gesagt: 5:30 Uhr!

„Mama. Mama?“

Ich warf meinen Körper aus dem Bett und schleppte meine müden Füße über den kalten Boden. Ich war müde und frustriert. Ich war verärgert und wütend. Ich meine, wie zur Hölle sollte ich all die Dinge auf meiner To-Do-Liste erledigen, wenn ich JETZT schon aufstehen muss? Ich blieb stehen und atmete tief durch, bevor ich die Tür öffnete. Bevor ich dich,mein Mädchen, wiedersehen würde. Bevor ich dir „guten Morgen“ sage würde.

„Maaaaama, ich hab so Hunger!“

Ich wusste, dass du hungrig sein würdest. Du bist jeden Morgen hungrig. Dann bist du zu mir gerannt gekommen, genauso, wie du es jeden Morgen tust. Ich bückte mich, um dich in meine Arme schließen zu können und du hast deine kleinen Arme um meinen Hals geschlungen. Du hast dich an mich gedrückt und ich habe dich umarmt.

„Hallo Mama, ich hab Hunger! “

„Okay, Süße. Wir gehen was essen, aber gib mir zuerst einen Kuss. “

Deine kühlen, feuchten Lippen trafen meine, aber bevor ich den Moment genießen konnte, warst du bereits in Richtung Küche unterwegs, um alle Lichter einzuschalten, die du nicht erreichen konntest, und um ein Frühstück zu essen, das ich nicht schnell genug zubereiten konnte. Es folgte ein filmreifer Tobsuchtsanfall, weil ich die Milch in die rosa statt in die grüne Tasse goss. Du hast gestampft und geschrien, als ich dein Brot aus Versehen getoastet habe und du schrieest wie am Spieß, weil du anscheinend gar kein Brot wolltest, sondern stattdessen lieber Müsli mit Milch.

Ah ja, es ist wieder einer dieser Tage, dachte ich mir. Ich machte mich auf zahlreiche Wutanfälle gefasst. Ich machte mich auf „Neiiiiin, tu das bitte nicht!“ und all die „Gib das bitte wieder her, das ist nichts für kleine Mädchen!“-Sätze gefasst.“ Ich machte mich auf ultradünne Geduldsfäden gefasst, die sicherlich spätestens dann reißen werden, wenn es um die Mittagsruhe gehen wird. Folglich bereitete ich mich auf eine weitere Nachtschicht vor, in der ich dann endlich mal die dämliche Steuererklärung machen konnte. Ich bereitete mich auf einen weiteren anstrengenden Tag vor, einen weiteren emotional anstrengenden, Nerv raubenden und schwierigen Tag. Na toll, dachte ich mir.

Aber dann hast du mich ganz plötzlich überrascht. Ich sah dich plötzlich ganz ruhig an deinem Kindertischchen sitzen und du ludst mich sogar ein, neben dir Platz zu nehmen und mit dir zu malen. Vorsichtig und in Erwartung weiterer unkoordinierter Wutausbrüche setze ich mich also neben dich (Kleinkind, halt! Obacht!!!). Als du aber völlig unbeeindruckt weiter maltest nahm ich einen Buntstift und fragte dich, was ich denn malen sollte: Elsas Kleid oder Annas Schuhe? Ohne mit der Wimper zu zucken entgegnetest du mir: „Annas Schuhe.“ Und so malte ich also Annas Schuhe und da saßen wir, nur du und ich, wir malten zusammen, entspannten uns, spielten zusammen, hatten eine schöne Zeit miteinander.

Nach etwa 15 Minuten wolltest du lieber eine Höhle bauen und all deine Kuscheltiere dazu einladen. In der Höhle kuschelten wir uns gemeinsam in eine Decke und guckten aus unserem „Schloss“ heraus. . (Habe ich dir jemals gesagt, wie sehr ich deine Kuscheltiere liebe? Nein? Wirklich, ich LIEBE sie!)

„Mama. Du kannst jetzt schlafen. Ja? Ich bin gleich wieder da. Okay?“

„Okay.“

Und so blieb ich einfach in unserer Höhle liegen. Ich lag ganz still da, während du um die  Höhle herumschlichst und weitere Stofftiergefährten und -kissen für mich zu besorgen. Sicher, ich hatte eigentlich eine Menge zu erledigen, aber ich blieb dennoch liegen. Ich blieb einfach mit dir in dieser Höhle liegen, weil ich dich so liebe und diese Momente so selten sind und weil diese „meine Mama ist meine beste Freundin“ – Phase bestimmt nicht ewig anhalten wird.

Später haben haben wir dann zum gefühlten 12238 mal FROZEN in meinem Bett geguckt, entgegen aller sonstigen „TV-Regeln“. Wir sangen alle Kinderlieder, die uns so einfielen und tanzten dazu fröhlich auf dem Küchenboden. Und wir spielten Elefanten – Sie stampften und brüllten durch jedes Zimmer unseres Hauses, um 1) mich zu erschrecken und 2) unsere Nachbarn unten zu ärgern.

Ich habe dich an diesem Tag nicht gestoppt, es war mir egal, was andere über uns denken. (Sorry, tut mir nicht leid, meine liebste „Ich klopf mit dem Besen an die Decke“ Nachbarin)

Natürlich gab es auch ein Paar der berühmten „Momente““: Du hast eine Tonne Reis auf dem Boden verschüttet, weil du unsere Katze „füttern“ wolltest. Du hast versucht, mir beim Essen in den Hintern zu beißen, weil … naja, eigentlich habe ich keine Ahnung warum. Du hast einen Wutanfall bekommen, als ich dir gesagt habe, dass Kekse keinen vollwertiger Ersatz für ein Abendessen darstellen. Allerdings verblassten diese Momente im Vergleich zu denen, die du sonst mit mir an diesem Tag teiltest: All diese entzückenden kleinen Geheimnisse deiner kleinen Welt, die du mir während der einstündigen Tour durch unser Hauses anvertraut hast und all das Lächeln und Lachen, das Küssen, das Kichern und die Umarmungen derer ich zuteil werden durfte.

Als der Tag vorüber war und ich dich endlich in dein Bett verfrachten konnte und dein Licht ausmachte, da nahm ich mir ganz plötzlich folgendes vor: Heute mache ich gar nichts mehr!

Die Wäschetruhe war immer noch voll. Die Klamotten waren immer noch ungebügelt. Meine Steuererklärung lag noch genauso unfertig da. Mehr als 15 Stunden waren seit meinem Aufwachen vergangen und was konnte ich für heute „vorweisen“, außer einem Stapel Legosteine, einer Höhle aus allen Decken des Hauses und mehr als ein Dutzend Stofftiere – alle verstreut auf meinem Küchenboden?

So einfach ist das nicht……

Ich meine, klar, der Tag war eigentlich anders geplant und ja, ich hatte eigentlich wirklich viel zu tun – aber ich hatte auch dich. Ich hatte deine Aufmerksamkeit, deine Zuneigung und deine Liebe. Ich konnte dein Lachen erleben (das entzückendste Kichern der Welt), ich durfte erleben, wie du Wörter wie Schule („Sule“) und Computer („Pieuuuuuter“) aussprichst, und ich hatte genug Zeit, um dich komplett bewundern zu können. Es war ununterbrochene Qualitätszeit, weil ich alles andere links liegen lies.

Ich war in der Lage, dich und die Welt durch deine wunderschönen Augen sehen zu können. Durch deine Fantasie.

Und das Beste, was ich heute getan habe, war überhaupt nichts.

Denn das Beste an diesem Nichts ist, dass du mein Alles bist.

 

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